
Cannabis Legalisierung: Führerschein zurück ohne MPU für Ersttäter?
In Deutschland haben sich in den letzten Monaten die Regelungen für Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr deutlich verschärft. Nach anfänglich sehr liberaler Rechtsauslegung müssen mittlerweile viele Ersttäter ab einem Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blut mit einer sofortigen Anordnung zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) rechnen. Dieser Rictungswechsel hat bei vielen Betroffenen und Fachleuten für Aufsehen gesorgt, da sie den rechtlichen Rahmen um Cannabis und Führerschein grundlegend verändert. Die Neuregelung zum 1. April 2024 löste bei vielen Verwirrung und Kritik aus, da der Gesetzgeber hier weitreichende Konsequenzen ohne klare Definitionen eingeführt hat.
In diesem Blogartikel beleuchten wir die Hintergründe, die Folgen der neuen Gesetzeslage und was sich für Cannabiskonsumenten geändert hat.
Der neue THC-Grenzwert: Was bedeutet er für Ersttäter?
In der Vergangenheit galt für Ersttäter eine Grenze von 1 ng/ml THC im Blut, ab der eine MPU für die Wiedererteilung des Führerscheins angeordnet wurde. Die unscharfen Formulierungen in der neuen Version der Fahrerlaubnis-Verordnung sowie die Anhebung des THC-Grenzwerts auf 3,5 ng/ml, haben zur Folge, dass eine einmalige Auffälligkeit ab diesem Grenzwert ausreichen kann, um eine MPU anzuordnen. Ziel dieser Interpretation des Gesetzes durch die Fahrerlaubnisbehörden ist es, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen und eine klare Linie im Umgang mit Cannabis am Steuer zu ziehen.
Allerdings gibt es in den Monaten seit der Einführung des Cannabisgesetzes und der Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung erhebliche Unsicherheiten und Ermessensspielräume in der Handhabung. Nicht zuletzt die Landesregierungen, die ihre untergebenen Behörden über Wochen und Monate auf Handlungsempfehlungen haben warten lassen, sind für diesen Zustand verantwortlich gewesen. Zahlreiche Führerscheine wurden in dieser Zeit ohne eine MPU-Anordnung neu erteilt, obwohl die Betroffenen zuvor mit teilweise exorbitanten THC-Werten im Blut erwischt worden waren. Dies führte zu einer Phase, in der Ersttäter ihre Fahrerlaubnis zurückbekamen, selbst wenn sie deutlich unter dem Einfluss von THC am Steuer gesessen hatten. Diese Entwicklung sorgte dafür, dass Betroffene, aber auch die Fahrerlaubnisbehörden untereinander überrascht und teilweise überfordert waren. Die restriktivere Rechtsauslegung vieler Führerscheinstellen soll nun die Schleusen schließen und verhindern, dass Cannabiskonsumenten ohne MPU ihren Führerschein wiedererlangen.
MPU und „Missbrauch“: Die fehlende Definition sorgte für Chaos
Eine der größten Unklarheiten der letzten Monate betraf den Begriff „Missbrauch“ im Zusammenhang mit Cannabiskonsum. Das Fehlen einer genauen Definition führte dazu, dass viele Betroffene die Fahrerlaubnis ohne MPU zurückerhalten konnten, da durch den Gesetzgeber kein Grenzwert für Cannabismissbrauch festgelegt wurde, wie 1,6 Promille bei Alkohol. Die Regierung hatte bislang offengelassen, was als „Missbrauch“ von Cannabis im Verkehr zählt, was die Praxis der MPU-Anordnungen erschwerte. Eine Übersicht über die Entscheidungen von über 300 Führerscheinstellen der letzten Monate finden Sie hier.
Diese Gesetzeslücke ermöglichte es vielen Fahrern, ihre Fahrerlaubnis ohne zusätzliche Prüfung neu zu beantragen. Personen, die in der Vergangenheit einmalig mit einem THC-Wert über 1 ng/ml am Steuer erwischt wurden, erhielten den Führerschein zurück, ohne dass eine MPU erforderlich war. In laufenden Verfahren wurde die MPU-Anordnung für Ersttäter mit THC-Rückständen im Blut teilweise sogar rückwirkend aufgehoben, da sich die Voraussetzungen für eine MPU geändert haben und der Begriff „Missbrauch“ in der Gesetzgebung nicht klar genug formuliert war.
Um dies zu ändern, definierte der Gesetzgeber „Missbrauch“ kürzlich präziser und legte fest, dass ein THC-Wert von 3,5 ng/ml als grenzwertig gilt, um ein fehlendes Trennungsvermögen von Konsum und Fahren zu begründen. Für Betroffene bedeutet das: Wer den neuen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC überschreitet, gilt automatisch als potenziell fahruntüchtig und muss sich im Zweifel einer MPU unterziehen – unabhängig davon, ob es sich um den ersten oder einen wiederholten Verstoß handelt.
Die Rolle der Expertengruppe und die Unterschiede zu Alkoholgrenzwerten
Interessanterweise basiert die neue THC-Grenze auf den Empfehlungen einer Expertengruppe, die den neuen Grenzwert als äquivalent zu einem Blutalkoholwert von etwa 0,2 Promille ansieht. Allerdings ergibt sich aus dieser Vergleichbarkeit eine weitere Kontroverse: Während Cannabiskonsumenten bereits ab 3,5 ng/ml THC mit schwerwiegenden Folgen wie Fahrverbot und MPU konfrontiert werden, drohen Alkoholkonsumenten diese Sanktionen erst bei einem Blutalkoholwert von 0,5 Promille oder höher. Zudem wird nach einer Auffälligkeit mit Alkohol zwischen 0,5 und 1,09 Promille nicht sofort die Fahreignung angezweifelt und eine MPU angeordnet, bei einer Auffälligkeit mit Cannabis schon.
Dieser Unterschied sorgte für Kritik, da er eine Ungleichbehandlung darstellt. Alkohol- und Cannabiskonsumenten werden nach unterschiedlichen Standards bewertet, obwohl die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit in beiden Fällen vergleichbar sein kann oder nach Cannabiskonsum sogar geringer ausfällt als nach dem Konsum von Alkohol. Die Entscheidung, Cannabiskonsumenten strenger zu sanktionieren, wirkt auf viele wie eine Diskriminierung und führt zu Fragen hinsichtlich der Gerechtigkeit dieser Regelungen.
Was die neuen Entwicklungen für die MPU-Vorbereitung bedeuten
Für Betroffene, die durch die neuen Grenzwerte eine MPU anordnen müssen, ist eine fundierte Vorbereitung unerlässlich. Die Medizinisch-Psychologische Untersuchung prüft, ob der Betroffene in der Lage ist, die Risiken des Cannabiskonsums zu erkennen und künftig vom Autofahren unter Einfluss abzusehen. Typische **MPU-Fragen** zielen darauf ab, das Konsummuster und die Einsicht des Betroffenen zu prüfen. Da es keine Unterscheidung mehr zwischen gelegentlichem und regelmäßigem Konsum gibt, fallen alle Ersttäter mit einem THC-Wert über 3,5 ng/ml in die gleiche Kategorie.
Im MPU-Gespräch müssen Teilnehmer häufig Fragen wie die folgenden beantworten:
- „Was waren die Gründe für Ihren Cannabiskonsum?“
- „Haben Sie Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass Sie nicht erneut unter Einfluss fahren?“
- „Wie hat sich Ihr Konsumverhalten nach dem Vorfall geändert?“
Kritische Perspektiven und die Zukunft der MPU bei Cannabiskonsum
Die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass die Gesetzgebung im Bereich Cannabis und Straßenverkehr noch immer in Bewegung ist. Die Einführung des neuen Grenzwertes von 3,5 ng/ml THC und die strengere Auslegung eines Schwellenwerts für die MPU haben gezeigt, dass der Gesetzgeber und die Fahrerlaubnisbehörden versuchen klare Rahmenbedingungen zu schaffen – doch die Umsetzung lässt einige Fragen offen. Für viele wirkt die aktuelle Gesetzeslage wie eine bewusste Verschärfung, die Cannabiskonsumenten härter trifft als Alkoholkonsumenten.
Der neue Grenzwert wird von Kritikern als ungerecht empfunden, da Alkohol- und Cannabiskonsumenten unterschiedlichen Standards unterliegen. Die festgelegte Grenze von 3,5 ng/ml THC führt dazu, dass auch Gelegenheitskonsumenten, die nur gelegentlich konsumieren, eine MPU absolvieren müssen, während Alkoholtrinker bei vergleichbarer Beeinträchtigung keine derartigen Konsequenzen befürchten müssen.
Zudem wird die Frage aufgeworfen, ob die neue Regelung tatsächlich zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit beiträgt, oder ob sie nur den Druck auf Cannabiskonsumenten erhöht, während Konsumenten anderer Substanzen von den Sanktionen ausgenommen bleiben. Die Festlegung der Grenzwerte zeigt, dass die Gesetzgebung in diesem Bereich von äußeren Einflüssen und Interessen geprägt ist, was zu einer anhaltenden Diskussion über die Fairness und Sinnhaftigkeit der Regelungen führt.
Fazit: Die neuen Regelungen – eine bittere Pille für Cannabiskonsumenten am Steuer
Die jüngsten Anpassungen im Fahrerlaubnisrecht zeigen, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Cannabisnutzer nach anfänglicher Lockerung wieder verschärfen. Für Ersttäter, die mit einem THC-Wert von 3,5 ng/ml im Blut erwischt werden, bedeutet dies, dass sie oft ohne Umwege zur MPU müssen, selbst wenn es sich um einen einmaligen Vorfall handelt. Die Änderungen der Fahrerlaubnis-Verordnung sorgten dafür, dass es keine Rolle mehr spielt, ob jemand gelegentlich oder regelmäßig konsumiert – manche Führerscheinstellen ordnen jedoch nach wie vor auch bei hohen THC-Carbonsäure Werten eine MPU an.
Die Änderungen im Straßenverkehrsrecht bedeuten für Cannabiskonsumenten nur leichte Verbesserungen und in vielen Fällen weiterhin die Notwendigkeit zur MPU-Vorbereitung. Durch die neuen Regeln ist es umso wichtiger, sich intensiv auf die Fragen und Anforderungen der MPU vorzubereiten. Wer den neuen Grenzwert überschreitet und zur MPU geschickt wird, muss durch eine fundierte MPU-Vorbereitung zeigen, dass er die Konsequenzen seines Konsums verstanden hat und künftig den Konsum von Fahren trennen kann.
12.11.2024